Jobsuche in Großbritannien
Und nach Feierabend ein Bier mit den Kollegen
Ich habe gerade meinen Abschluss als Politologe in Hamburg gemacht und bevor ich an die London School of Economics (LSE) gehe, würde ich mir gerne dort für einige Zeit einen Job suchen. Was ist zu beachten?
Auf einen Biologen in der Marketingabteilung oder eine Anglistin als Personalmanagerin treffen Sie in Großbritannien öfters. Die in der Ausbildung erworbene Qualifikation spielt in Großbritannien für den angestrebten Beruf keine so bedeutende Rolle wie in Deutschland. Besonders wichtig am Arbeitsplatz sind die sozialen Kontakte - dazu zählt auch schon mal, mit den Kollegen nach Feierabend ein Bierchen trinken zu gehen.
Die Briten trennen nicht so strikt ihr Arbeits- von ihrem Berufsleben. Auch den Chef mit Vornamen anzureden ist keine Seltenheit. Ganz allgemein hört man von vielen Seiten, dass die Arbeit nicht so hektisch und streng durchorganisiert ist, Improvisation und "muddling through" gehören also durchaus zum Alltag.
Unterschieden werden muss das Vereinigte Königreich - zu diesem gehören Nordirland, England, Schottland, Wales und einige Überseegebiete - und Großbritannien, welches nur die Länder England, Schottland und Wales umfasst. Nicht zum Vereinigten Königreich gehören die Isle of man und die Kanal-Inseln. Diese unterstehen lediglich der britischen Krone. Die britische Regierung ist für ihre Verteidigung und die internationalen Beziehungen zuständig, ansonsten sind die Inseln eigenständig. Sie gehören auch nicht zur Europäischen Union.
Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die britische Wirtschaft und der Arbeitsmarkt, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas, sehr positiv entwickelt. Die Arbeitslosenquote lag im Jahre 2016 bei 4,8 Prozent und damit deutlich unter dem europäischen Durchschnitt (Quelle: Eurostat).
Das bedeutet jedoch nicht, dass damit die Chancen für alle Bereiche und jede Region gleich gut sind. Jeder fünfte Arbeitsplatz entfällt auf den Wirtschaftszweig Finanzen und Dienstleistungen. In London, dem wichtigsten europäischen Finanzplatz, sind alle großen Banken, Versicherungen, Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfungsfirmen und internationalen Anwaltskanzleien angesiedelt.
Fachkräftemangel besteht in der Bauwirtschaft, im Vertrieb, Hotelgewerbe und in der Gastronomie, sowie im professionellen Dienstleistungsbereich. Aktuell besteht ein besonderer Bedarf an Ärzten, Krankenschwestern und -pflegern, Ingenieuren, Mathematikern und Naturwissenschaftlern (zum Beispiel Physikern). Ausgezeichnete Arbeitsmöglichkeiten gibt es auch in den Wirtschaftsbereichen Catering, Tourismus und Bauwirtschaft sowie für Busfahrer und Polizisten.
Sehr gute Kenntnisse der englischen Sprache werden allerdings in allen Branchen vorausgesetzt. Das Einkommen hängt im Vereinigten Königreich stark von der Region ab. Im Jahre 2014 verdienten die Briten durchschnittlich knapp 43.000 Euro pro Jahr. Allerdings wird der sinkende Umrechnungskurs nach der Brexitwahl den Eurowert von britischen Löhnen reduzieren. Zu bedenken ist, dass in der Metropole London die Wohnungen knapp sind und die Preise inzwischen für die kleinsten Zimmer gigantische Höhen erreicht haben.
Wenn Sie in der Zeitung auf Stellensuche gehen wollen, empfehlen sich die Stellenangebote der großen Tageszeitungen: "The Times", "The Daily Telegraph", "The Guardian", "Financial Times", “The Independent“ und "London Evening Standard" sowie zahlreiche regionale Zeitungen. Der wichtigste Anzeigentag ist Donnerstag, die internationalen Ausgaben dieser Zeitungen, die auch in Deutschland erhältlich sind, enthalten häufig keinen oder einen deutlich verkleinerten Anzeigenteil.
Wenn Sie in der Nähe von Berlin, Düsseldorf oder München wohnen, können Sie in den InfoPoints des British Councils einige der englischen Ausgaben studieren und sich zugleich ein wenig Übersetzungshilfe geben lassen – wenn Sie nicht schon wissen, dass zum Beispiel das Kürzel "bens" die Zusatzleistungen "benefits" meint oder "asap" "as soon as possible" heißt.
Für das Vereinigte Königreich gibt es einige, teilweise kostenpflichtige, spezialisierte Internetstellenbörsen. Besondere Websites stehen für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen, für Physiker sowie für Akademiker (http://www.jobs.ac.uk, http://www.newscientistjobs.com und http://www.planetrecruit.com) zur Verfügung.
An alle Berufsgruppen richten sich zum Beispiel http://www.fish4.co.uk, http://www.adecco.co.uk/, http://www.jobsite.co.uk/ und Eures, das europäische Portal zur beruflichen Mobilität.
Die staatlichen Arbeitsämter firmieren unter "Jobcenter Plus" mit einem landesweiten Netz von 1000 Job Centres, die hauptsächlich in nicht-akademische Berufe vermitteln. An diese Job Centres können Sie sich auch direkt wenden, wenn Sie in Großbritannien sind. Zu ihrem Service gehört eine umfassende Datenbank, wie sie in ähnlicher Qualität auch die privaten Arbeitsvermittler anbieten. Diese "Recruiting Agencies" und "Personnel Consultants" vermitteln in vielen verschiedenen Bereichen und stellen die Gebühr dafür dem Arbeitgeber in Rechnung.
Für Initiativbewerbungen können Sie in den gelben Seiten des Vereinigten Königreichs oder bei der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer Firmen suchen. Initiativbewerbungen haben im Vereinigten Königreich durchaus Chancen.
Die Bewerbungsunterlagen umfassen in der Regel lediglich das Anschreiben und den Lebenslauf sowie die Nennung von mindestens zwei "referees", die auf Wunsch eines potentiellen Arbeitgebers vertrauliche Referenzen ausstellen. Kopien von Diplomen und Zeugnissen beizulegen, ist unüblich, da es im Vereinigten Königreich keine Arbeitszeugnisse gibt. Die computergeschriebene Bewerbung sollte kurz, knapp und sachlich sein, also keine überschwänglichen Formulierungen enthalten und die eigenen Qualitäten nicht herausstreichen, Erfahrungen und Qualifikationen aber durchaus auflisten.
Zu den Angaben gehört auch der Beweggrund, als Ausländer eine Arbeit in Großbritannien zu suchen. Der Lebenslauf wird chronologisch rückwärts – also mit der Gegenwart beginnend – abgefasst, er beginnt mit den persönlichen Angaben. Dann kommt eine kurze Zusammenfassung der Aus- und Weiterbildung, bevor der berufliche Werdegang mit dem letzten Arbeitsverhältnis beginnend beschrieben wird. Am Schluss verweisen Sie auf besondere Kenntnisse und Hobbys, wobei sportliches Engagement besonders von Interesse ist. Ein Bewerbungsfoto fügen Sie nur nach Aufforderung bei. Nicht unüblich sind im Vereinigten Königreich die "application forms", standardisierte Bewerbungsformulare, damit die Arbeitgeber eine bessere Vergleichbarkeit haben.
Sollten Sie mehr als vier Wochen nach Versenden der Bewerbungsunterlagen noch keine Antwort erhalten haben, können Sie sich an das Unternehmen wenden. Normalerweise reagieren die Briten prompt und gewissenhaft und versenden auch Absagen.
Im Vereinigten Königreich gibt es keine Meldepflicht wie in Deutschland. Es empfiehlt sich dennoch eine Aufenthaltsgenehmigung vor Ablauf von sechs Monaten zu beantragen, um auch mit allen Rechten integriert zu sein. Wenn Sie einen Arbeitsplatz gefunden haben, gilt Ihr Aufenthaltsrecht für die Dauer Ihrer Beschäftigung.
Sind Sie Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis mit fünfjähriger Gültigkeit, können Sie nach einem vierjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Großbritannien eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Antragsformulare erhalten Sie bei den größeren Polizeidienststellen oder im Internet auf der Seite des britischen Home Office (Innenministerium).
Weitere Informationen zum Leben und Arbeiten im Vereinigten Königreich finden Sie bei der ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung) der Bundesagentur für Arbeit.
Wenn Sie im Vereinigten Königreich arbeiten, gelten für Sie die britischen Sozialvorschriften. Weitere Informationen erhalten Sie in der Broschüre “Arbeiten in Großbritannien. Informationen zur Sozialversicherung“.
Weitere Informationen erhalten Sie auch bei den Botschaften:
Botschaft des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland
Wilhelmstraße 70
10117 Berlin
Tel.: 030 204 57-0
Fax: 030 204 57-578
E-mail:
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
23 Belgrave Square
London, SW1X 8PZ
Tel.: 0044 20 7824 1300
Fax: 0044 20 7824 1435