Arbeiten: Die Rechte der Bürger aus den Beitrittsstaaten
2+3+2: Die Übergangsregelungen
"Arbeitnehmerfreizügigkeit" beschreibt das im EG-Vertrag beschriebene Recht für Unionsbürger, in der ganzen EU zu arbeiten. Der Artikel 39 des Vertrages besagt, dass dies "die Abschaffung jeder auf Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen" umfasse. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gibt den Arbeitnehmern das Recht,
- sich in jedem EU-Land um Stellen zu bewerben;
- in jedes EU-Land zu fahren, um dort einen Job zu suchen;
- und in einem Mitgliedstaat zu wohnen, um dort zu arbeiten.
Zum 1. Mai 2004 traten zehn weitere Staaten (die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Malta, Ungarn, Polen, Slowenien und die Slowakische Republik) der EU bei. Für Zypern und Malta galten die EU-Regelungen zur Freizügkeit für Arbeitnehmer und zur Dienstleistungsfreiheit sofort.
Für Staatsangehörige der acht Beitrittsstaaten aus Mittel- und Osteuropa gelten dagegen Übergangsbestimmungen mit drei Phasen („2+3+2-Regelung“):
- Während einer zweijährigen Übergangsfrist (2004-2006) gab es keine gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit; es galten weiterhin die nationalen und bilateralen Regelungen des Arbeitsmarktzuganges. Die Mitgliedstaaten konnten entscheiden, inwieweit sie ihren Arbeitsmarkt mit dem Beitritt auf Grund nationaler Maßnahmen für Staatsangehörige aus den Beitrittsstaaten öffnen wollten. In zwölf Mitgliedstaaten bedeutete dies: Es ändert sich - fast - nichts im Vergleich zu den Regelungen von dem EU-Beitritt. Nur Großbritannien, Irland und Schweden öffneten ihren Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern.
- Vor Ablauf der ersten Phase - also zum April 2006 - mussten die alten Mitgliedstaaten der EU-Kommission mitteilen, ob sie nationale Maßnahmen zur Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs für weitere drei Jahre weiterführen wollen oder Freizügigkeit nach Gemeinschaftsrecht gewähren. Deutschland, Italien und Österreich erhalten die bisherigen Übergangsregeln mindesten drei weitere Jahre aufrecht. Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande sehen einen schrittweisen Abbau der Übergangsregeln vor. Finnland, Griechenland, Portugal und Spanien öffnen ihre Arbeitsmärkte vollständig.
- Wollen die Mitgliedstaaten mit Beschränkungen nach fünf Jahren noch weiterhin nationale Zugangsregelungen zum Arbeitsmarkt aufrecht erhalten, müssen sie der EU-Kommission förmlich mitteilen, dass sie die Übergangsregelungen noch für die weiteren zwei Jahre wegen der schwierigen nationalen Arbeitsmarktlage anwenden.
Nach sieben Jahren - zum 30.4.2011 - ist die volle Freizügigkeit auf jeden Fall erreicht.
Darüber hinaus haben die Bundesrepublik Deutschland und Österreich davon Gebrauch gemacht, Übergangsregelungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit im Baugewerbe, bei der Gebäudereinigung, Verkehrsmitteln sowie Innendekorateuren zu erlassen.
Ein Verschlechterungsverbot bewirkt, dass die Rechte auf Zugang zum Arbeitsmarkt der alten EU-Mitgliedsländer mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages nicht hinter den dann erreichten Stand zurückfallen dürfen. Bestehende nationale und bilaterale Zugangsmöglichkeiten zum deutschen Arbeitsmarkt, bleiben unverändert bestehen.
Dennoch wurden die Rechte von Arbeitnehmern aus den Beitrittstaaten bereits mit dem Tag des Beitritts verbessert. Dies gilt insbesondere für die „Gemeinschaftspräferenz“, die vorsieht, dass Arbeitskräfte aus den Beitrittsstaaten beim Zugang zu den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten, bei freien Stellen, den Vorzug vor Arbeitskräften aus Drittstaaten erhalten.
Wer zum Beitrittstermin schon eine rechtmäßige Beschäftigung in den alten EU-Mitgliedstaaten für einen ununterbrochenen Zeitraum von 12 Monaten oder länger hatte, erhielt einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang . Dies betraf auch die Familienangehörigen, wenn sie in Deutschland einen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Arbeitnehmer hatten und sich seit mindestens achtzehn Monaten in Deutschland rechtmäßig aufhielten. Seit dem 2. Mai 2006 wird den Familienangehörigen der Arbeitnehmer, die zwölf Monate oder länger hier gearbeitet haben, die Arbeitsberechtigung unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet erteilt.
Für die Niederlassungsfreiheit von Selbständigen sind keine entsprechenden Übergangsregelungen vorgesehen. Sofern Bürger aus den Beitrittsstaaten als Selbständige in Deutschland arbeiten wollen, müssen sie natürlich wie Selbständige aus anderen EU-Mitgliedsstaaten die berufs- und gewerberechtlichen Bestimmungen beachten.