Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft
Es muss eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt werden
(C - 456/02 vom 07.09.2004 ,Trojani)
Der Fall:
Der französische Staatsangehörige Michel Trojani hielt sich 1972 für kurze Zeit in Belgien auf, wo er angeblich eine selbständige Tätigkeit im Vertriebssektor ausübte. Im Jahr 2000 kehrte er dorthin zurück. Nach einem Aufenthalt in einer Jugendherberge wurde Herr Trojani im Januar 2002 in ein Heim der Heilsarmee aufgenommen, in dem er für seine Unterkunft und etwas Taschengeld im Rahmen eines individuellen Projekts der gesellschaftlichen und beruflichen Eingliederung etwa 30 Stunden je Woche verschiedene Leistungen erbrachte. Aufgrund seiner Mittellosigkeit beantragte Herr Trojani die Gewährung des monatlichen Existenzminimums vom belgischen Staat. Sein Antrag wurde abgelehnt, weil er zum einen die belgische Staatsangehörigkeit nicht besitze und zum anderen auf ihn, mangels Arbeitnehmereigenschaft, auch nicht die europäische Freizügigkeitsverordnung anwendbar sei, was nach belgischem Recht alternativ für diese Leistung vorausgesetzt werde.
Laut Europäischem Gerichtshof kann sich eine Person nur auf ihre Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts berufen und somit einen Anspruch auf das belgische Existenzminimum herleiten, wenn es sich bei der von ihr ausgeübten unselbständigen Tätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt. Es muss geprüft werden, ob die von der betreffenden Person tatsächlich erbrachten Leistungen als solche angesehen werden können, die auf dem Beschäftigungsmarkt üblich sind.
Das Urteil:
1. Eine Person, die sich in einer Situation wie der des Klägers des Ausgangsverfahrens befindet, fällt zum einen nicht unter die Artikel 43 EG und 49 EG und kann zum anderen nur dann ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 39 EG beanspruchen, wenn es sich bei der von ihr ausgeübten unselbständigen Tätigkeit um eine tatsächliche und echte Tätigkeit handelt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die tatsächlichen Prüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob dies in der bei ihm anhängigen Rechtssache der Fall ist.
2. Einem Bürger der Europäischen Union, der im Aufnahmemitgliedstaat nicht kraft Artikel 39 EG, 43 EG oder 49 EG ein Aufenthaltsrecht besitzt, kann dort bereits aufgrund seiner Unionsbürgerschaft in unmittelbarer Anwendung von Artikel 18 Absatz 1 EG ein Aufenthaltsrecht zustehen. Die Wahrnehmung dieses Rechts unterliegt den in dieser Bestimmung genannten Beschränkungen und Bedingungen, jedoch haben die zuständigen Behörden dafür Sorge zu tragen, dass bei der Anwendung dieser Beschränkungen und Bedingungen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Sobald eine Person, die sich in einer Situation wie der des Klägers befindet, jedoch eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, kann sie unter Berufung auf Artikel 12 EG eine Leistung der Sozialhilfe wie das Minimex beanspruchen.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-456/02:
Michel Trojani Centre public d'aide sociale de Bruxelles (CPAS)