Rentner, die in anderem Mitgliedstaat als Herkunftsstaat wohnen

Medizinische Behandlung außerhalb des Wohnstaats bedarf vorheriger Genehmigung der Krankenkasse
(C-156/01 vom 03.07.2003, van der Duin)

Der Fall:

Der niederländische Staatsangehörige R. P. van der Duin zog 1989 aus den Niederlanden nach Frankreich um. Dort versicherte er sich bei der örtlichen Krankenkasse. Seit August 1990 erhält er Leistungen bei Invalidität, die die niederländische Krankenkasse zu tragen hatte. Im November 1993 erlitt Herr van der Duin eine schwere Schnittverletzung am Unterarm, deretwegen er in Frankreich etwa ein Jahr lang behandelt wurde. Danach wurde er zur Behandlung seiner rechten Hand in die Universitätsklinik Rotterdam (Niederlande) aufgenommen.
Die niederländische Staatsangehörige Frau T. W. van Wegberg- van Brederode zog 1995 mit ihrem Ehemann aus den Niederlanden nach Spanien um. Ihr Gatte bezieht eine niederländische Rente vom zuständigen niederländischen Träger. Beide versicherten sich bei einer spanischen Krankenversicherung. Nachdem ein von ihr aufgesuchter spanischer Gynäkologe eine Operation für nötig erachtet hatte, begab sich Frau T. W. van Wegberg- van Brederode in die Niederlande, um sich von ihrem früheren Gynäkologen operieren zu lassen.
Herr van der Duin und Frau T. W. van Wegberg- van Brederode verlangten die Übernahme der Behandlungskosten von ihren jeweiligen Krankenkassen, die diese jedoch mit der Begründung ablehnten, dass ihnen das Formular E 112 hätte ausgestellt werden müssen, das erforderlich sei, wenn ein Versicherter die Genehmigung dafür einholen wolle, sich zur Behandlung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben. Die rückwirkende Ausstellung dieses Vordrucks lehnten die Krankenkassen in den Wohnstaaten ab.

Laut Europäischem Gerichtshof haben Rentner und Familienangehörige, sobald sie beim zuständigen Träger des Wohnmitgliedstaats eingetragen sind, nach der Gemeinschaftsordnung über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer wie jeder Berechtigter, der im Gebiet dieses Mitgliedstaats wohnt, Anspruch auf Gewährung von Sachleistungen zu Lasten dieser Krankenkasse. Daher ist der Träger des Wohnorts der betroffenen Person für die Erteilung der Genehmigung, sich in einem anderen Mitgliedstaat behandeln zu lassen, zuständig.

Das Urteil:

1. Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auch für einen Rentner und seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zur Zahlung der Rente verpflichteten Mitgliedstaat wohnen und daher nach ihrer Eintragung beim Träger des Wohnorts den in Artikel 28 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Anspruch haben, gilt, wenn sie sich zur ärztlichen Behandlung in den zur Zahlung der Rente verpflichteten Mitgliedstaat begeben wollen.

2. Für die Erteilung der vorherigen Genehmigung im Sinne des genannten Artikels 22 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i ist der Träger des Wohnorts zuständig, wenn der Antrag auf Genehmigung Sozialversicherte betrifft, die sich in einer solchen Lage befinden.

Die Pressemitteilung:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-156/01: R. P. van der Duin gegen Onderlinge Waarborgmaatschappij ANOZ Zorgverzekeringen UA und Onderlinge Waarborgmaatschappij ANOZ Zorgverzekeringen UA gegen T. W. van Wegberg-van Brederode

Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 56/03 vom 3. Juli 2003

Rentner, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Herkunft lohnen, müssen bei der Krankenkasse, bei der sie in ihrem Wohnstaat eingetragen sind, für Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat vorher eine Genehmigung einholen.

Dieser Grundsatz gilt auch, wenn sie sich in dem zur Zahlung der Rente verpflichteten Mitgliedstaat behandeln lassen.

Herr van der Duin zog 1989 von den Niederlanden nach Frankreich um und ließ sich bei der örtlichen Krankenkasse eintragen. Er erhält Leistungen bei Invalidität zu Lasten des zuständigen niederländischen Trägers. Nach einem schweren Unfall wurde Herr van der Duin etwa ein Jahr lang in Frankreich behandelt. Danach wurde er zur Behandlung einer posttraumatischen Dystrophie der rechten Hand in die Universitätsklinik Rotterdam (Niederlande) aufgenommen.

Frau van Wegberg-van Brederode zog 1995 mit ihrem Ehegatten von den Niederlanden nach Spanien um. Ihr Ehegatte bezieht eine niederländische Rente zu Lasten der zuständigen niederländischen Träger. Die Eheleute ließen sich bei der spanischen Krankenversicherung eintragen. Nachdem ein spanischer Arzt die Notwendigkeit einer Operation festgestellt hatte, begab sich Frau van Wegberg-van Brederode in die Niederlande, um sich dort operieren zu lassen.

Obwohl die örtlichen Krankenkassen in Frankreich und Spanien einen Vordruck E 111 ausgestellt hatten, lehnte die ANOZ Zorgverzekeringen UA, eine niederländische Krankenkasse, die Erstattungsanträge der beiden niederländischen Krankenhäuser ab, da die Behandlungen nicht den Voraussetzungen der Gemeinschaftsverordnung über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer1 genügten. Nach ihrer Auffassung hätte nämlich den betroffenen Personen in den vorliegenden Fällen ein Vordruck E 112 ausgestellt werden müssen, der erforderlich sei, wenn ein Versicherter die Genehmigung dafür einholen wolle, sich zur Behandlung in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben; die rückwirkende Ausstellung dieses Vordrucks lehnten die Krankenkassen in den Wohnstaaten ab. Herr van der Duin und Frau van Wegberg-van Brederodeklagten gegen die Ablehnung der Kostenübernahme durch die ANOZ Zorgverzekeringen vor den niederländischen Gerichten.

Der Centrale Raad van Beroep fragt den Gerichtshof, welcher Mitgliedstaat die Behandlungskosten zu übernehmen hat und welche Krankenkasse in einem solchen Fall für die Erteilung der vorherigen Genehmigung zuständig ist.

Der Gerichtshof stellt fest, dass Rentner und ihre Familienangehörigen, sobald sie beim zuständigen Träger des Wohnmitgliedstaats eingetragen sind, nach der Gemeinschaftsverordnung wie jeder Berechtigte, der im Gebiet dieses Mitgliedstaat wohnt, Anspruch auf Gewährung von Sachleistungen zu Lasten dieser Krankenkasse haben.

Folglich ist für die Erteilung der Genehmigung an die genannten Sozialversicherten, sich in einen anderen Mitgliedstaat einschließlich desjenigen, der zur Zahlung der Rente verpflichtet ist, zu begeben, um sich dort unter den Voraussetzungen, wie sie nach der Gemeinschaftsverordnung vorgesehen sind, Sachleistungen gewähren zu lassen, der Träger des Wohnorts der betroffenen Personen zuständig. Dieser Träger ist am ehesten in der Lage, konkret nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der vorherigen Genehmigung erfüllt sind.
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1 Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 2001/83 (ABl. L 230, S. 6).

Originaltext des Urteils:

Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-156/01 : van der Duin