Zusammentreffen von Renten mehrerer Mitgliedstaaten
Rentenkürzung allein aufgrund der Berücksichtigung einer seinem Ehegatten gewährten gleichartigen Leistung unzulässig
(C-262/97 vom 26.09.2000, Engelbrecht)
Der Fall:
Robert Engelbrecht war als Arbeitnehmer sowohl in den Niederlanden als auch in Belgien beschäftigt. In den Niederlanden war er von 1946 bis 1950 und von Juni 1958 bis November 1958 pflichtversichert. Von Januar 1957 bis Juni 1958 sowie von November 1958 bis Mai 1993 war Herr Engelbrecht freiwillig versichert. In Belgien war er als Arbeitnehmer nach dem belgischen System der sozialen Sicherheit von 1958 bis 1993 versichert. Demnach entrichtete Herr Engelbrecht Beiträge sowohl an das belgische als auch an das niederländische Versicherungssystem. Von der Vollendung seines 65. Lebensjahres am 8. Mai 1993 an bezog er sowohl niederländische als auch belgische Leistungen bei Alter. In den Niederlanden wurde Herrn Engelbrecht eine Bruttoaltersrente zum vollen Satz für eine verheiratete Person, die mit ihrem Ehepartner, der das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dauerhaft zusammenlebt, gewährt. In Belgien bezog er eine Familienrente, da seine Ehefrau nicht berufstätig war und keine Rente bezog. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres wurde Frau Engelbrecht im August 1994 eine niederländische Altersrente gewährt. Diese war auf Grundlage von Zeiten sowohl der freiwilligen Versicherung als auch der Pflichtversicherung berechnet worden. Entsprechend wurde Herrn Engelbrecht die Rente um den bis dahin gewährten Zuschlag gekürzt. Ihm wurde mitgeteilt, dass seine Familienrente in eine Alleinstehendenrente umgewandelt worden sei, da seine Frau in den Niederlanden eine Altersrente erhalte. Dagegen erhob Herr Engelbrecht Klage, da er der Ansicht war, dass die Berücksichtigung einer auf einer Pflichtversicherung beruhenden Leistung bei Alter, wie sie seine Frau bezog, gemeinschaftsrechtswidrig sei.
Laut Europäischem Gerichtshof kann der Verlust oder die Kürzung einer sozialen Vergünstigung eines Arbeitnehmers allein aufgrund der Berücksichtigung einer seinem Ehegatten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates gewährten gleichartigen Leistung, wenn die Gewährung dieser letztgenannten Leistung zu keiner Erhöhung der Gesamteinkünfte des Haushalts führt und mit einer Kürzung der persönlichen Rente des Arbeitnehmers nach den Rechtsvorschriften desselben Staats in gleicher Höhe einhergeht, die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft beeinträchtigen. Eine solche Konsequenz könne nämlich einen Gemeinschaftsarbeitnehmer davon abhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und würde somit eine Beeinträchtigung dieser Freiheit darstellen.
Das Urteil:
Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) verbietet den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, die eine Rechtsvorschrift anwenden, die
- die Höhe der einem verheirateten Arbeitnehmer zu gewährenden Altersrente festsetzt,
- eine Kürzung dieser Rente unter Berücksichtigung einer dem Ehegatten des Arbeitnehmers nach der Regelung eines anderen Mitgliedstaats gewährten Rente vorsieht, aber
- die Anwendung einer abweichenden Antikumulierungsklausel vorsieht, wenn die anderweitig bezogene Rente einen bestimmten Betrag nicht überschreitet,
die Rente eines Wanderarbeitnehmers unter Berücksichtigung der dem Ehegatten des Arbeitnehmers nach der Regelung eines anderen Mitgliedstaats gewährten Rente zu kürzen, obwohl die Gewährung der letztgenannten Rente zu keiner Erhöhung der Gesamteinkünfte des Haushalts führt.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-262/97: Engelbrecht