Rente: Bei Anrechnungsfragen gilt immer die günstiger Variante
Versicherungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates zurückgelegt wurden, sind zu berücksichtigen
(C-244/97 vom 17.12.1998, Lustig)
Der Fall:
Die belgische Staatsangehörige Gerdina Lustig, die am 15. Januar 1929 geboren ist, stellte kurz vor ihrem 60. Geburtstag beim zuständigen Sozialversicherungsträger einen Antrag auf Gewährung einer belgischen Altersrente ab dem 1. Februar 1989. Diese wurde ihr für die in Belgien zurückgelegte Berufslaufbahn von 1970 bis 1988 mit Bescheid vom 2. Juni 1988 in Höhe von 106 834 BFR bewilligt. Im April 1993 stellte Frau Lustig, die von 1946 bis 1968 in den Niederlanden gearbeitet hatte, einen Antrag auf Gewährung einer Altersrente nach dem niederländischen Gesetz über das allgemeine Altersversicherungssystem ab ihrem 65. Geburtstag. Auch diese wurde ihr bewilligt, und zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1994. Aufgrund der Gewährung der niederländischen Altersrente wurde Frau Lustigs belgische Rente neu berechnet und ihr wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1994 eine Rente in Höhe von 142 046 BFR zugesprochen. Für die Ermittlung dieses ab dem 1. Januar 1994 gewährten Beitrages hatte der belgische Sozialversicherungsträger die Vorschriften über die garantierte Mindestrente der Gesetze von 1980 und 1981 angewandt. Dagegen lehnte er für die Zeit vom 1. Februar 1989 bis zum 1. Januar 1994 die Anwendung dieser Vorschriften zugunsten Frau Lustigs mit der Begründung ab, dass er ihre in den Niederlanden zurückgelegte Berufslaufbahn erst ab dem Zeitpunkt berücksichtigen könne, zu dem ihr Rentenanspruch in den Niederlanden tatsächlich entstanden sei, also ab dem 1. Januar 1994.
Laut Europäischem Gerichtshof verlangt das Gemeinschaftsrecht, dass die Zeiten, die nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegt wurden, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, für die Berechnung von Leistungen bei Alter berücksichtigt werden, wenn diese Berücksichtigung für die betreffende Person günstiger ist als die alleinige Anwendung derjenigen Rechtsvorschriften, deren Voraussetzungen erfüllt sind, und die alleinige Berücksichtigung der nach diesen Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten.
Das Urteil:
Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung sowie Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 2001/83, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 und die Verordnung (EG) Nr. 3096/95 der Rates vom 22. Dezember 1995, sind dahin auszulegen, dass, falls der Versicherte nur nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Voraussetzungen für die Gewährung einer -- gegebenenfalls verminderten -- Leistung bei Alter erfüllt, ohne dass die Versicherungs- oder Wohnzeiten berücksichtigt werden müssen, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt wurden, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind, der zuständige Träger gemäß Artikel 46 derselben Verordnung die nach den letztgenannten Rechtsvorschriften zurückgelegten Zeiten dennoch zu berücksichtigen hat, wenn dem Versicherten dadurch bis zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die Voraussetzungen dieser Rechtsvorschriften erfüllt sind, eine höhere Leistung bei Alter gewährt werden kann.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-244/97: Lustig