Zusammentreffen mehrerer Rentenansprüche
Europäisches Sozialrecht darf erworbene Leistungsansprüche nur koordinieren, niemals aber kürzen
(C-24/75 vom 21.10.1975, Petroni)
Der Fall:
Der italienische Staatsangehörige Raffaele Petroni war 17 Jahre in Belgien und 7 Jahre in Italien erwerbstätig gewesen. Neben der Rente, die er in Italien erhielt, wurde ihm in Belgien eine Rente bewilligt, die nach der europäischen Verordnung über die soziale Sicherheit von Wanderarbeitnehmern in der seinerzeit geltenden Fassung mit Rücksicht auf die italienische Rente gekürzt wurde. Gemäß der Verordnung war die Rente auf denjenigen Betrag zu kürzen, den jemand erzielt hätte, wenn er seine gesamte Erwerbstätigkeitsphase nur in einem der beiden Staaten verbracht hätte. Nur nach den belgischen Rechtsvorschriften berechnet, hätte sich die belgische Rente auf 34.358 bfrs jährlich belaufen sollen. Nach Anwendung der Antikumulierungsregelung der genannten Verordnung setzte der belgische Versicherungsträger die Rente auf 26.427 bfrs fest.
Laut Europäischem Gerichtshof dürfen Arbeitnehmern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, durch Europarecht keine Vergünstigungen der sozialen Sicherheit entzogen werden, die ihnen nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats gewährt werden.
Das Urteil:
Artikel 46 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates ist mit Artikel 51 des Vertrages1 unvereinbar, soweit er vorschreibt, dass die Kumulierung zweier in verschiedenen Mitgliedstaaten erworbener Leistungen durch eine Kürzung der in einem Mitgliedstaat allein nach dessen Rechtsvorschriften erworbenen Leistung beschränkt wird.2
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1 Jetzt Artikel 42 EG.
2 Diese Rechtsprechung wurde inzwischen durch die Neufassung des Artikels 46 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 und die neu eingeführten Artikel 46a-46c der Verordnung Nr. 1408/71 - nach dem Vorbild des Artikel 12 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 - modifiziert. Nun gilt, dass bei Doppelleistungen zwar keinerlei Rentenkürzung durch europäisches Recht vorgesehen ist, jedoch Kürzungs-, Ruhens- und Entziehungsbestimmungen nach nationalem Recht bestehen. Das bedeutet, dass nunmehr das nationale Recht zu bestimmen hat, wann eine Rentenkürzung erfolgt und dass für diese Kürzungen die Zulässigkeitsgrenzen der neuen Vorschriften greifen.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-24/75:
Teresa und Silvana Petroni / Office National des Pensions pour Travailleurs salaries (ONPTS)