In einem Mitgliedstaat vor dessen Beitritt zu den Gemeinschaften erworbene Rentenansprüche
Das dem Versicherten günstigere bilaterale Abkommensrecht hat grundsätzlich Vorrang gegenüber dem EU-Recht
(C-227/89 vom 07.02.1991, Rönfeld)
Der Fall:
Der deutsche Staatsangehörige Ludwig Rönfeld hat von 1941 bis 1957 Versicherungszeiten in der Bundesrepublik, sodann in Dänemark und ab 1971 wieder in der BRD abgeleistet. 1987 beantragte er mit 63 Jahren eine vorzeitige Altersrente nach deutschem Recht. Dem gemäß bestand diese Möglichkeit, wenn vom Versicherten 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre, in denen mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten enthalten war, zurückgelegt wurden (Wartezeitvoraussetzung). Bei der Feststellung der deutschen Altersrente wurden nun nach der europäischen Verordnung über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, zwar die in Dänemark zurückgelegten Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt, jedoch nicht für die Ermittlung der Rentenhöhe. Die genannte Verordnung sieht nämlich hinsichtlich der Höhe des Anspruchs vor, dass jeder Rentenversicherungsträger eine Rente nur für die auf ihn entfallenden Beitragsjahre zu zahlen hat. Ein Anspruch auf eine dänische Altersrente, in die die in Dänemark zurückgelegten Versicherungszeiten hätten einfließen können, bestand deshalb nicht, weil die Altersgrenze in Dänemark (Vollendung des 67. Lebensjahres) nicht erreicht war. Anders hätte sich der Versicherte gestanden, wären seine Ansprüche nicht nach Gemeinschaftsrecht, sondern nach dem deutsch-dänischen Sozialversicherungsabkommen zu beurteilen gewesen. Herr Rönfeld hätte dem Abkommen zufolge in Deutschland bereits mit 63 Jahren eine volle Altersrente für langjährig Versicherte erhalten. Herr Rönfeld vertrat die Auffassung, für ihn gälten die einschlägigen Regelungen des deutsch-dänischen Sozialversicherungsabkommens von 1953. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das Abkommen nach dem Beitritts Dänemarks zu den Europäischen Gemeinschaften mit Wirkung vom 01.04.1973 durch die genannte Verordnung ersetzt worden sei, da die Verordnung auf seine davor liegenden Versicherungszeiten keine Anwendung finde.
Der Europäische Gerichtshof entschied zugunsten des Herrn Rönfeldt, so dass dieser in Deutschland die volle Altersrente für langjährig versicherte beanspruchen konnte. Arbeitnehmern dürften deswegen, weil sie von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten, durch die Anwendung der Gemeinschaftsregelung Vergünstigungen der sozialen Sicherheit nicht verlieren, die ihnen jedenfalls die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gewährten.
Das Urteil:
Artikel 48 Absatz 21 und Artikel 512 EWG-Vertrag lassen nicht zu, dass Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, unanwendbar geworden sind.
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1 Jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG.
2 Jetzt Artikel 42 EG.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-227/89: Rönfeld