Regressansprüche von Sozialversicherungsträgern
Diese richten sich nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaates, dem der verpflichtete Träger angehört
(C-397/96 vom 21.09.1999, Kordel)
Der Fall:
Alfons Ginsbach, der bei der luxemburgischen Rentenkasse der Privatangestellten versichert war, verstarb, nachdem er am 27. Dezember 1991 in Deutschland, unweit von Trier, von einem von Dieter Kordel geführten Kraftfahrzeug erfasst worden war, dessen Halter Rainer Kordel war. Die luxemburgischen Rentenkasse der Privatangestellten gewährte seiner Witwe und seiner Tochter Leistungen an Hinterbliebene in Form einer Witwen- und einer Waisenrente im Rahmen eines Deckungskapitals von 4 003 236 LFR. Die luxemburgischen Rentenkasse der Privatangestellten erhob unter Berufung darauf, dass die Schadensersatzansprüche der Hinterbliebenen gemäß Artikel 232 der luxemburgischen Sozialversicherungsordnung auf sie übergegangen seien, beim Landgericht Trier Klage gegen Dieter und Rainer Kordel sowie gegen die Frankfurter Allianz AG, den Haftpflichtversicherungsträger von Rainer Kordel, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Hälfte des Deckungskapitals. Ihrer Ansicht nach ist das Landgericht wegen der Höhe der von ihr geltend gemachten Ansprüche durch die luxemburgische Sozialversicherungsordnung gebunden; der auf sie übergegangene Anspruch sei nämlich nach der Verordnung über die soziale Sicherheit von der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen.
Laut Europäischem Gerichtshof sind die einschlägigen Vorschriften des Rechts des Mitgliedstaats, dem der verpflichtete Träger angehört, anzuwenden, auch wenn sie den Übergang der Ansprüche des Leistungsempfängers gegen den Schädiger oder deren Geltendmachung durch den Träger, auf den sie übergegangen sind, ausschließen oder beschränken.
Das Urteil:
1. Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist so auszulegen, dass sich im Fall eines Schadens, der im Gebiet eines Mitgliedstaats eingetreten ist und zur Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit an den Geschädigten oder dessen Hinterbliebene durch einen Träger der sozialen Sicherheit im Sinne dieser Verordnung, der einem anderen Mitgliedstaat angehört, geführt hat, die Ansprüche des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Schädiger, die auf diesen Träger übergehen können, und die Voraussetzungen einer Schadensersatzklage bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Schaden eingetreten ist, nach dem Recht dieses Staates einschließlich der anwendbaren Vorschriften des internationalen Privatrechts bestimmen.
2. Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung ist so auszulegen, dass sich der Übergang von Ansprüchen eines Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Verursacher eines im Gebiet eines Mitgliedstaats eingetretenen Schadens, der zur Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit durch einen Träger der sozialen Sicherheit im Sinne dieser Verordnung, der dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt, geführt hat, auf diesen Träger und der Umfang der auf ihn übergegangenen Ansprüche nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaats bestimmen, dem dieser Träger angehört, sofern aus dem nach diesem Recht vorgesehenen Anspruchsübergang keine weiter gehenden Ansprüche geltend gemacht werden, als der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Schaden eingetreten ist, gegen den Schädiger haben.
3. Das angerufene Gericht hat die einschlägigen Vorschriften des Rechts des Mitgliedstaats, dem der verpflichtete Träger angehört, festzustellen und anzuwenden, auch wenn sie den Übergang der Ansprüche des Leistungsempfängers gegen den Schädiger oder deren Geltendmachung durch den Träger, auf den sie übergegangen sind, ausschließen oder beschränken.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-397/96: Kordel