Geburts- und Erziehungsbeihilfen dürfen vom Wohnort abhängig gemacht werden
Die beitragsunabhängige Mutterschaftsbeihilfe jedoch nicht
(C - 43/99 vom 31.05.2001 Leclere )
Der Fall:
Der in Belgien wohnhafte Ghislain Leclere war als Grenzgänger bis 1981 in Luxemburg beschäftigt und entrichtete als solcher Beiträge zum luxemburgischen Sozialversicherungssystem. 1981 hatte er einen Arbeitsunfall und bezieht seitdem eine Invaliditätsrente von der luxemburgischen Sozialversicherung. Mit dieser Rente unterliegt er in Luxemburg der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und der Einkommensteuerpflicht. Seit seinem Unfall hat Herr Leclere keine neue entgeltliche Beschäftigung mehr angenommen. Seit der Geburt ihres Kindes erhält Familie Leclere bestimmte Familienbeihilfen. Anträge der Familie auf Gewährung der luxemburgischen Mutterschafts-, Geburts-, und Erziehungsbeihilfen wurden mit der Begründung abgelehnt, dass Familie Leclere nicht in Luxemburg wohne.
Laut Europäischem Gerichtshof ist es legitim, die Gewährung der luxemburgischen Geburts- und Erziehungsbeihilfen vom Wohnort abhängig zu machen. Jedoch ist es mit der durch den EG- Vertrag garantierten Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht vereinbar, dass die Gewährung der luxemburgischen Mutterschaftsbeihilfe als beitragsunabhängige, ausschließlich im Wohnmitgliedstaat gewährte Sonderleistung vom Wohnort abhängig gemacht wird.
Das Urteil:
1. Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was gegen die Gültigkeit von Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i und Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, spräche, soweit sie es zulassen, die Gewährung der luxemburgischen vorgeburtlichen Beihilfe und der Geburtsbeihilfe vom Wohnort abhängig zu machen.
2. Anhang IIa der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung ist ungültig, soweit in dessen Punkt I. Luxemburg Buchstabe b die luxemburgische Mutterschaftsbeihilfe aufgeführt wird.
3. Eine Beihilfe wie die luxemburgische Erziehungsbeihilfe gehört nicht zu den Familienbeihilfen, die gemäß Artikel 77 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung an Empfänger von Alters- oder Invaliditätsrenten, Renten wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ohne Rücksicht darauf zu zahlen sind, in welchem Mitgliedstaat sie wohnen.
4. Der Empfänger einer Invaliditätsrente kann aus Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung keinen Anspruch auf andere Familienleistungen als die in Artikel 77 dieser Verordnung genannten Familienbeihilfen herleiten.
5. Der Empfänger einer Invaliditätsrente, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen wohnt, der die Rente gewährt, ist kein Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft. Ihm stehen mit dieser Eigenschaft zusammenhängende Ansprüche nur aufgrund seiner früheren beruflichen Tätigkeit zu.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-43/99:
Ghislain Leclere, Alina Deaconescu / Caisse nationale des prestations familiales