Kraftfahrzeugsteuer im Güterkraftverkehr
Doppelbesteuerung unzulässig
(C-115/00 vom 02.07.2002, Hoves)
Der Fall:
Die Andreas Hoves Internationaler Transport- Service Sàrl mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg ist eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts. Herr Hoves ist einer der Geschäftsführer dieser Gesellschaft und zugleich Geschäftsführer der Hoves Speditionsgesellschaft mbH mit Sitz in Rhede (Deutschland). Bis Ende 1995 war die Andreas Hoves Internationaler Transport- Service Sàrl ausschließlich als Frachtführerin für die Hoves Speditionsgesellschaft mbH tätig, welche die Einsatzpläne der Fahrzeuge und Fahrer aufstellte. Die Andreas Hoves Internationaler Transport- Service Sàrl beschäftigte acht, in Deutschland ansässige Fahrer, und zahlte für fünfzehn in Luxemburg zugelassene LKW die Kraftfahrzeugsteuer dort. Außerdem wurden ihr von den luxemburgischen Behörden eine Kabotagegenehmigungen erteilt. Im Rahmen eines Steuerrechtsstreits waren die deutschen Behörden zu der Überzeugung gelangt, dass die LKW nach deutschem Recht zuzulassen und der dortigen Kraftfahrzeugsteuer zu unterwerfen seien, da die LKW in Rhede (Deutschland) ihren regelmäßigen Standort hätten, von dem aus auch über den Einsatz der LKW entschieden werde.
Laut Europäischem Gerichtshof unterliegt die Durchführung der Kabotagefahrten der betreffenden europäischen Verordnung zufolge in einer Reihe von Bereichen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats. Zwar werde die Kraftfahrzeugsteuer dort nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch stellte es eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit dar, einen Verkehrsunternehmer zur Entrichtung von Kraftfahrzeugsteuer im Aufnahmemitgliedstaat zu zwingen, obwohl er bereits im Mitgliedstaat der Niederlassung gezahlt habe.
Das Urteil:
1. Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3118/93 des Rates vom 25. Oktober 1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, steht nationalen Bestimmungen eines Aufnahmemitgliedstaats entgegen, die dazu führen, dass dieser Staat Kraftfahrzeugsteuer für die Benutzung von Güterkraftfahrzeugen mit der Begründung erhebt, dass diese Fahrzeuge ihren regelmäßigen Standort in seinem Hoheitsgebiet hätten, obwohl sie im Mitgliedstaat der Niederlassung zugelassen sind und im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund von Genehmigungen, die ordnungsgemäß vom Mitgliedstaat der Niederlassung erteilt worden sind, für Kabotagefahrten verwendet werden.
2. Artikel 5 der Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten steht nationalen Bestimmungen eines Aufnahmemitgliedstaats im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 3118/93 entgegen, die dazu führen, dass dieser Staat Kraftfahrzeugsteuer für die Benutzung von Güterkraftfahrzeugen mit der Begründung erhebt, dass diese Fahrzeuge ihren regelmäßigen Standort in seinem Hoheitsgebiet hätten, obwohl sie im Mitgliedstaat der Niederlassung zugelassen sind und die in Artikel 3 Absatz 1 dieser Richtlinie genannte Steuer dort entrichtet wird und obwohl diese Fahrzeuge im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund von Genehmigungen, die ordnungsgemäß vom Mitgliedstaat der Niederlassung erteilt worden sind, für Kabotagefahrten verwendet werden.
Die Pressemitteilung:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-115/00: Andreas Hoves Internationaler Transport-Service Sàrl / Finanzamt Borken
Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 59/02 vom 2. Juli 2002
Ein luxemburgisches Transportunternehmen, das rechtmäßig Kabotagefahrten in Deutschland durchführt, kann nicht verpflichtet werden, dort die Zulassung seiner Lastkraftwagen zu erwirken oder die mit der Zulassung verbundenen Steuern zu entrichten.
Der Gerichtshof stützt sich auf die Dienstleistungsfreiheit und das anwendbare abgeleitete Recht, wonach von der Existenz eines einzigen Mitgliedstaats der Zulassung auszugehen ist.
Die Andreas Hoves Internationaler Transport-Service Sàrl [nachfolgend: Klägerin] ist eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg, die nationalen und internationalen Warentransport betreibt.
Herr Hoves ist einer der Geschäftsführer und leitet außerdem die Hoves Speditionsgesellschaft mbH [nachfolgend: GmbH] mit Sitz in Rhede (Deutschland). Bis Ende 1995 war die Klägerin ausschließlich als Frachtführerin für die GmbH tätig, die mit der Einsatzplanung der Fahrzeuge und Fahrer betraut war.
Auf den Namen der in Luxemburg eingetragenen Klägerin waren fünfzehn Lastkraftwagen in Luxemburg zugelassen, für die sie die luxemburgische Kraftfahrzeugsteuer (taxe sur les véhicules automoteurs) entrichtete. Außerdem erteilten ihr die luxemburgischen Behörden Kabotagegenehmigungen (mit denen ein Verkehrsunternehmer, der in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist, zum Güterkraftverkehr in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen wird). Die Klägerin beschäftigte acht Fahrer, die alle in Deutschland ansässig waren.
Die deutschen Behörden versuchten im Rahmen eines Steuerrechtsstreits festzustellen, wo sich die Geschäftsleitung der Klägerin befand. Sie ermittelten Rhede in Deutschland als Ort der Geschäftsleitung und gelangten ferner zu der Auffassung (so das Finanzgericht Münster), dass die Fahrzeuge ihren regelmäßigen Standort in Rhede hätten; dabei handele es sich um den Ort, von dem aus über den Einsatz des Fahrzeugs zum Verkehr bestimmt werde.
Folglich müssten die Fahrzeuge nach deutschem Recht in Deutschland zugelassen sein und dort der Kraftfahrzeugsteuer unterworfen werden.
Das Finanzgericht Münster hat jedoch Zweifel, ob diese Rechtslage im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften steht, insbesondere der Verordnung Nr. 3118/93 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, und der Richtlinie 93/89 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten. Deswegen hat es sich an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gewandt.
Nach der betreffenden Verordnung unterliegt die Durchführung der Kabotagefahrten in einer Reihe von Bereichen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats. Die Kraftfahrzeugsteuer wird in diesem Rahmen nicht ausdrücklich erwähnt.
Mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit stellt der Gerichtshof fest, es wäre geradezu die Negation der Freiheit zur Erbringung von Kabotagedienstleistungen, deren Ausübung voraussetze, dass das Kraftfahrzeug im Mitgliedstaat der Niederlassung amtlich zugelassen sei, wenn der Verkehrsunternehmer die Zulassung des Fahrzeugs im Aufnahmemitgliedstaat erwirken müsste.
Mit der Verordnung werde nämlich die Beseitigung aller Beschränkungen für Erbringer von Dienstleistungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder eines vom Ort der Leistungserbringung verschiedenen Niederlassungsorts bezweckt. Einen Verkehrsunternehmer zur Entrichtung von Kraftfahrzeugsteuer im Aufnahmemitgliedstaat zu zwingen, obwohl er sie bereits im Mitgliedstaat der Niederlassung gezahlt habe, laufe diesem Ziel zuwider.
Nach Auffassung des Gerichtshofes war die Klägerin als luxemburgische Gesellschaft ferner berechtigt, ein Unternehmen in Deutschland mit bestimmten Entscheidungen auf dem Gebiet der Organisation der Transporte zu betrauen, ohne dass sie dadurch ihre Stellung als eine Kabotageleistungen erbringende Gesellschaft verloren hätte.
Hätten die deutschen Behörden Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Kabotagegenehmigungen gehabt, so hätten sie die luxemburgischen Behörden um erneute Prüfung bitten müssen.
Zur Frage, ob es der Begriff des regelmäßigen Standorts der Fahrzeuge dem Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht, die bereits im Mitgliedstaat der Niederlassung besteuerten Fahrzeuge nochmals zu besteuern, stellt der Gerichtshof fest, nach den einschlägigen Vorschriften sei von der Existenz eines einzigen Mitgliedstaats der Zulassung ausgehen.
Das mit der Verordnung verfolgte Ziel der Förderung von Kabotageleistungen wäre nicht erreichbar, wenn der Aufnahmemitgliedstaat die betreffende Steuer verlangen könnte, obwohl eine solche Steuer bereits im Mitgliedstaat der Niederlassung und Zulassung gezahlt worden sei.