Steuerbefreiung für Gewinne aus Verkäufen von Wohnimmobilien
Dass die Gewinne in den Erwerb von inländischen Immobilien reinvestiert werden, darf nicht vorausgesetzt werden
(C-345/05 vom 26.10.2006, Kommission/Portugal)
Der Fall:
Im September 2005 erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage auf Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, dass sie Steuervorschriften beibehalten hat, in denen die Steuerbefreiung für Gewinne aus der entgeltlichen Veräußerung von Immobilien, die dem Steuerpflichtigen oder Angehörigen seines Haushalts dauerhaft zu eigenen Wohnzwecken dienen sollen, davon abhängig gemacht wird, dass die erzielten Gewinne in den Erwerb von in Portugal gelegenen Immobilien reinvestiert werden.
Die portugiesischen Behörden wiesen eine Rechtsverletzung zurück und machten geltend, dass die streitigen Bestimmungen jedenfalls durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, genauer: durch das Ziel des Schutzes des Rechts auf Wohnraum, oder aus Gründen der Kohärenz1 des nationalen Steuersystems gerechtfertigt seien.
Laut Europäischem Gerichtshof verstößt ein Mitgliedstaat, der Steuervorschriften mit dem oben genannten Inhalt beibehält, gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht. Denn Steuerpflichtige, die sich dazu entschließen, die zu Wohnzwecken genutzte Immobilie, die sie in diesem Mitgliedstaat besitzen, zu verkaufen, um in Ausübung des Rechts jedes Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das in Artikel 43 EG hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit und in Artikel 39 EG hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer eine besondere Ausprägung erfahren hat, sowie ihrer Rechte aus den Artikeln 28, betreffend die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, und 31, betreffend der Niederlassungsfreiheit, des EWR-Abkommens ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dort eine neue Immobilie zu Wohnzwecken zu erwerben, erfahren eine steuerliche Behandlung, die sie im Vergleich zu der steuerlichen Behandlung von Personen, die ihren Wohnsitz im betreffenden Mitgliedstaat beibehalten, benachteiligt.
Die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, kann diese unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen, da ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument nur dann Erfolg haben kann, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht, was vorliegend nicht der Fall ist.
Was den mit den fraglichen Steuerbestimmungen verfolgten Zweck, ein Recht auf Wohnraum sicherzustellen, betrifft, so ist festzustellen, dass dieser ebenso gut erreicht wird, wenn der Steuerpflichtige sich dazu entschließt, seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, anstatt in Portugal zu bleiben.
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1 Als Kohärenz bezeichnet man allgemein den inneren oder äußeren Zusammenhang von etwas.
Das Urteil:
Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Artikeln 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie Steuervorschriften wie Artikel 10 Absatz 5 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares beibehalten hat, in denen die Steuerbefreiung für Gewinne aus der entgeltlichen Veräußerung von Immobilien, die dem Steuerpflichtigen oder Angehörigen seines Haushalts dauerhaft zu eigenen Wohnzwecken dienen sollen, davon abhängig gemacht wird, dass die erzielten Gewinne in den Erwerb von in Portugal gelegenen Immobilien reinvestiert werden.