Entschädigungsleistungen für ehemalige Kriegsgefangene
Gewährung darf von Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden
(C - 386/02 vom 16.09.2004, Baldinger)
Der Fall:
Josef Baldinger wurde 1927 als österreichischer Staatsangehöriger in Österreich geboren. Von Januar 1945 bis Mai 1945 nahm er als Soldat der deutschen Wehrmacht am Zweiten Weltkrieg teil. Von Mai 1945 bis Dezember 1947 befand er sich in Kriegsgefangenschaft in der UdSSR.
Anschließend war Herr Baldinger in Österreich als Arbeiter beschäftigt, bis er 1954 zum Zwecke der Arbeitsuche nach Schweden ausreiste, wo er bis 1964 erwerbstätig war. Von 1964 bis 1956 arbeitete er wieder in Österreich. Im April 1965 emigrierte er auf Dauer nach Schweden, war dort berufstätig und nahm 1967 unter Verzicht auf die österreichische Staatsangehörigkeit die schwedische Staatsangehörigkeit an.
Seit Mai 1986 bezieht Herr Baldinger eine Pensionsleistung wegen Invalidität bzw. wegen Alters. Sein Antrag auf eine nach österreichischem Recht vorgesehene monatliche Entschädigungsleistung für ehemalige Kriegsgefangene wurde von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter im März 2002 abgelehnt, weil er bei Antragstellung nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besaß.
Laut Europäischem Gerichtshof ist dies mit den Gemeinschaftsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer vereinbar. Denn die streitige Leistung sei nicht an die Arbeitnehmereigenschaft geknüpft, sondern werde gewährt, um ehemaligen Kriegsgefangenen, die eine längere Gefangenschaft nachweisen, einen Beweis der nationalen Anerkennung für die erduldeten Prüfungen zu geben, und werde daher als Gegenleistung für die ihrem Land erwiesenen Dienste bezahlt.
Das Urteil:
Artikel 39 Absatz 2 EG, Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung und Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine Leistung für ehemalige Kriegsgefangene mit der Begründung verweigert wird, dass der Betroffene bei Antragstellung nicht die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats, sondern die eines anderen Mitgliedstaats besitzt.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-386/02: Baldinger