Anerkennung ausländischer Diplome
Praktische Erfahrungen müssen berücksichtigt werden
(C - 234/97 vom 08.07.1999, Bobadilla)
Der Fall:
Die in Madrid wohnhafte, spanische Staatsanghörige Teresa Fernández de Bobadilla absolvierte, nachdem sie an einer amerikanischen Universität den Titel eines Bachelor of Arts in Kunstgeschichte erworben hatte, mit Hilfe eines Stipendiums des spanischen Nationalmuseums Prado ein Postgraduiertenstudium in der Restaurierung von Kunstwerken im Vereinigten Königreich, nach dessen Abschluss sie 1989 den Titel Master of Arts erhielt. Von 1989 bis 1992 arbeitete Frau Fernández de Bobadilla sodann im Rahmen eines Zeitarbeitsvertrages für den Prado als Restauratorin von Kunstwerken auf Papier. Der Prado ist eine selbständige Anstalt, die Rechtspersönlichkeit und Prozesspersönlichkeit besitzt. Nach einer Bestimmung des 1988 zwischen dem Prado und der Personalvertretung des Museums geschlossenen Tarifvertrages sind Restauratorenstellen Personen vorbehalten, die im Besitz des von der Fakultät der schönen Künste, Fachrichtung Restauration, oder von der Schule für angewandte Künste, beide in Spanien, ausgestellten Befähigungsnachweises für die Restauration von Kunstwerken oder eines anderen im Ausland ausgestellten und durch die zuständige Stelle anerkannten Befähigungsnachweises sind. Im Oktober 1992 beantragte Frau Fernández de Bobadilla die Anerkennung ihres im Vereinigten Königreich verliehenen Titels mit dem Ziel der Gleichstellung mit dem spanischen Titel Konservator und Restaurator von Kulturgütern. Diese wurde ihr vom Erziehungsministerium versagt, da die Anerkennung voraussetze, dass sie eine erneute Prüfung ablegen müsse, um ihre Kenntnisse nachzuweisen. In der Zwischenzeit wurde im November 1992 vom Prado eine Stelle für einen Restaurator für Kunstwerke auf Papier zur Besetzung auf Dauer ausgeschrieben. Frau Fernández de Bobadillas Bewerbung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie die im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen nicht erfülle.
Laut Europäischem Gerichtshof hat eine öffentliche Einrichtung, die eine Stelle zu besetzen sucht, selbst zu prüfen, ob das von dem Bewerber in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Diplom, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Berufserfahrung, als dem geforderten Befähigungsnachweis gleichwertig anzusehen ist.
Das Urteil:
Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) ist dahin auszulegen, dass
-- er Bestimmungen eines in einer öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedstaats geltenden Tarifvertrags nicht entgegensteht, die das Recht innerhalb dieser öffentlichen Einrichtung einen bestimmten Beruf auszuüben, der nicht reglementiert im Sinne der Richtlinie 89/48/EWG des
Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, und der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48 ist, Personen vorbehält, die im Besitz eines von einer Unterrichtsanstalt dieses Mitgliedstaats ausgestellten Befähigungsnachweises oder irgendeines anderen im Ausland ausgestellten und durch die zuständigen Stellen desselben Mitgliedstaats anerkannten Befähigungsnachweises sind,
-- die für die Anerkennung ausländischer Diplome zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats oder, wenn es solche Stellen nicht gibt, die öffentliche Einrichtung selbst, jedoch bei in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Diplomen verpflichtet sind, zu prüfen, inwieweit die durch das von dem Betroffenen erworbene Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangten entsprechen. Besteht diese Entsprechung nur teilweise, so haben die zuständigen nationalen Stellen oder gegebenenfalls die öffentliche Einrichtung selbst zu beurteilen, ob die von dem Betroffenen im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der durch das ausländische Diplom nicht bescheinigten Kenntnisse ausreichen.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-234/97:
Teresa Fernández de Bobadilla / Museo Nacional del Prado, Comité de Empresa del Museo Nacional del Prado und Ministerio Fiscal