Ausbildungszeiten und Anerkennung von Diplomen
Entscheidend ist die Gleichwertigkeit
(C - 102/02 vom 29.04.2004, Beuttenmüller)
Der Fall:
Die österreichische Staatsangehörige Ingeboorg Beuttenmüller absolvierte in Österreich ein zweijähriges Studium mit den Schwerpunkten fremdsprachliche Vorschulung und bildnerische Erziehung. Im Juni 1978 bestand sie die Lehramstprüfung für Volksschulen. Anschließend war Frau Beuttenmüller bis 1988 in Österreich als Volksschullehrerin tätig. Seit 1991 übt sie die Tätigkeit einer Lehrkraft in Baden-Württemberg aus. Seit Dezember wird sie vom Land Baden-Württemberg beschäftigt und übt die Tätigkeit einer Lehrerin in dessen öffentlichen Schulen aus. Im März 1998 stellte sie beim Oberschulamt Stuttgart einen Antrag auf Gleichstellung ihrer in Österreich abgelegten Lehramtsprüfung sowie auf eine Höhergruppierung ihrer Vergütungsgruppe. Der Antrag wurde abgelehnt, ebenso der spätere Widerspruch von Frau Beuttenmüller.
Laut Europäischem Gerichtshof ist die Voraussetzung für die Anerkennung des Diploms an der Gleichwertigkeit festzumachen. Eine nationale Vorschrift, die verlangt, dass das Hochulstudium eine Mindestdauer von drei Jahren hat, verletzt Europäisches Recht.
Das Urteil:
Artikel 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist dahin auszulegen, dass die Befähigung für den Beruf des Volksschullehrers, so wie sie früher aufgrund einer zweijährigen Ausbildung in Österreich erlangt worden ist, einem Diplom im Sinne des Unterabsatzes 1 dieser Vorschrift gleichgestellt ist, wenn die zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats bescheinigen, dass das nach einer zweijährigen Ausbildung erlangte Diplom als dem gegenwärtig nach einem dreijährigen Studium verliehenen Diplom gleichwertig angesehen wird und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zum Beruf des Volksschullehrers oder dessen Ausübung dieselben Rechte verleiht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der von der Betroffenen gemäß Artikel 8 Absatz 1 dieser Richtlinie vorgelegten Nachweise sowie der für die Beurteilung dieser Nachweise geltenden innerstaatlichen Vorschriften zu bestimmen, ob die letzte in Artikel 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 genannte Voraussetzung im Ausgangsverfahren als erfüllt anzusehen ist. Diese Voraussetzung betrifft das Recht, einen reglementierten Beruf auszuüben, und nicht das Entgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen, die in dem Mitgliedstaat gelten, der die Gleichwertigkeit einer alten Ausbildung und einer neuen Ausbildung anerkennt.
Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats kann sich auf Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 89/48 gegenüber nationalen Vorschriften berufen, die dieser Richtlinie nicht entsprechen. Die Richtlinie steht derartigen Vorschriften entgegen, wenn sie für die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat als im Aufnahmemitgliedstaat erworbenen oder anerkannten Befähigung für den Lehrerberuf ohne Ausnahme verlangen, dass die Hochschulausbildung eine Mindestdauer von drei Jahren hat und dass sie sich auf mindestens zwei der für die Lehrertätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschriebenen Unterrichtsfächer erstreckt.
Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats kann sich, wenn innerhalb der in Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48 vorgeschriebenen Frist keine Umsetzungsmaßnahmen erlassen worden sind, auf Artikel 3 Buchstabe a dieser Richtlinie stützen, um im Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung einer Befähigung für den Lehrerberuf wie der in Österreich aufgrund einer zweijährigen Ausbildung erworbenen zu erlangen. Unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens ist diese Möglichkeit weder aufgrund der Anwendung der abweichenden Regelung in Artikel 3 letzter Absatz dieser Richtlinie ausgeschlossen noch von der Voraussetzung abhängig, dass der Antragsteller vorher Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von Artikel 4 dieser Richtlinie nachkommt.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-102/02 :
Ingeborg Beuttenmüller / Land Baden-Württemberg