Botschaftstätigkeit für EG-Mitgliedstaat in Drittland
Gemeinschaftsrecht bleibt bei hinreichend engem Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Gemeinschaftsgebiet anwendbar
(C-214/94 vom 30.04.1996, Boukhalfa)
Der Fall:
Die belgische Staatsangehörige Ingrid Boukhalfa war seit April 1982 bei der Deutschen Botschaft in Algier als Ortskraft in der Paßstelle beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis war in Algier begründet worden. Bereits zuvor hatte Frau Boukhalfa in Algier ihren ständigen Aufenthaltsort. Nach dem Gesetz über den auswärtigen Dienst (GAD) unterlag Frau Boukhalfas Arbeitsverhältnis algerischem Recht, wohingegen sich die Rechtsverhältnisse der Ortskräfte mit deutscher Staatsangehörigkeit nach deutschen Tarifverträgen und sonstigen Bestimmungen des deutschen Rechts richtete. 1991 verlangte Frau Boukhalfa Gleichbehandlung mit den deutschen Ortskräften. Zur Begründung ihres Begehrens berief sie sich auf die Freizügigkeitsvorschriften, nach denen jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten unzulässig ist. Die Bundesrepublik Deutschland war demgegenüber der Auffassung, dass das Gemeinschaftsrecht auf den Fall von Frau Boukhalfa nicht anwendbar sei, da sich dessen räumlicher Geltungsbereich auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschränke. Frau Boukhalfa befinde sich nicht in der Lage eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt sei, sie habe vielmehr immer in einem Drittland gearbeitet.
Laut Europäischem Gerichtshof können Gemeinschaftsvorschriften auf eine außerhalb des Gemeinschaftsgebiets ausgeübte Berufstätigkeit anwendbar sein, wenn das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zum Gemeinschaftsrecht behält. Diesbezüglich wies der Gerichtshof erstens darauf hin, dass der Arbeitsvertrag Frau Boukhalfas nach deutschem Recht geschlossen wurde und ihre Arbeitsbedingungen sich nur aufgrund einer Verweisung dieses Rechts nach algerischem Recht bestimmen würden. Zweitens enthalte der Vertrag eine Klausel, nach der der Gerichtsstand für alle sich aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten zwischen den Parteien Bonn und später Berlin sei. Drittens gehöre Frau Boukhalfa hinsichtlich der Rentenversicherung dem deutschen Sozialversicherungssystem an und sie sei in Deutschland wenngleich nur beschränkt, einkommensteuerpflichtig. In Fällen wie diesem sei das Gemeinschaftsrecht und damit dass in den Freizügigkeitsregelungen niedergelegte Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit hinsichtlich aller Aspekte des Arbeitsverhältnisses anwendbar, die das Recht eines Mitgliedstaats regele.
Das Urteil:
Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag1 und Artikel 7 Absätze 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist auf einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der ständig in einem Drittland lebt und aufgrund eines dort geschlossenen und dauernd dort erfüllten Arbeitsvertrags von einem anderen Mitgliedstaat bei dessen Botschaft in diesem Drittland beschäftigt wird, hinsichtlich aller Aspekte des Arbeitsverhältnisses anwendbar, die das Recht des den Betroffenen beschäftigenden Mitgliedstaats regelt.
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1 Jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-214/94: Boukhalfa