Zugang zum Beruf des Arztes für Ehegatten von Wanderarbeitnehmern
Ehegatten aus Drittländern muss Approbation unter gleichen Voraussetzungen erteilt werden wie Inländern
(C - 131/85 vom 07.05.1986, Gül)
Der Fall:
Der zypriotische Staatsangehörige Emir Gül war mit einer britischen Staatsangehörigen verheiratet, die in Deutschland als Friseurin arbeitete. Nachdem er 1976 sein Medizinstudium an der Universität Istanbul beendet hatte, wurde ihm von den deutschen Behörden die Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufes in Deutschland zum Zwecke der Facharztweiterbildung im Gebiet Anästhesie erteilt. Diese Erlaubnis, die wiederholt verlängert wurde, war unter der ausdrücklichen Bedingung erteilt worden, dass Herr Gül sich verpflichtete, nach Beendigung oder Abbruch der Facharztweiterbildung in Deutschland in sein Heimatland zurückzukehren. 1982 wurde Herrn Gül die Anerkennung als Arzt für Anästhesiologie erteilt. Sein Antrag auf Erteilung einer ständigen Berufserlaubnis wurde mit der Begründung abgelehnt, dass nach der deutschen Bundesärzteordnung nur Deutsche und EG-Staatsangehörige die Approbation erhalten könnten.
Laut Europäischem Gerichtshof muss der aus einem Drittland stammende Ehegatte eines Wanderarbeitnehmers, um einen Beruf wie den des Arztes ausüben zu können, für den Zulassungs- und Ausübungsvorschriften gelten, zwei Erfordernissen genügen: Er muss die nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats für die Ausübung dieses Berufs notwendigen Qualifikationen und Diplome besitzen und die besonderen, für die Ausübung dieses Berufs geltenden Bestimmungen beachten, wobei diese Erfordernisse dieselben sein müssen wie die, die der Aufnahmemitgliedstaat für seine eigenen Staatsangehörigen vorschreibt. Nach Auffassung des Gerichtshof genügte Herr Gül diesen beiden Erfordernissen.
Das Urteil:
1. Das Recht auf Ausübung jeder Berufstätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, das nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 1612/68 dem Ehegatten eines Arbeitnehmers zusteht, der seinerseits das Recht der Arbeitnehmer auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft genießt, umfasst auch das Recht, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen, die wie der Arztberuf einer behördlichen Zulassung und besonderen berufsrechtlichen Vorschriften unterliegt, falls dieser Ehegatte die nach den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats für die Ausübung dieses Berufs erforderlichen beruflichen Qualifikationen und Diplome besitzt.
2. Die nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 1612/68 berechtigte Person kann sich unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit auf Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Erster Gedankenstrich dieser Verordnung berufen.
3. Die Gleichbehandlung nach Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1612/68 besteht darin, auf die in dieser Vorschrift genannten Personen dieselben Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie dieselben Verwaltungspraktiken anzuwenden wie auf Inländer.
4. Der nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 1612/68 berechtigte Ehegatte eines Arbeitnehmers eines Mitgliedstaats hat hinsichtlich der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit und ihrer Ausübung im Angestelltenverhältnis Anspruch auf Gleichbehandlung unabhängig davon, ob sich sein Befähigungsnachweis nur auf die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats oder auf die Richtlinie 75/363 gründet.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-131/85: Gül