Selbständige Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe
Unionsbürger können sich auch ihrem Herkunftsstaat gegenüber auf Dienstleistungsfreiheit berufen
(C-115/78 vom 07.02.1979, Knoors)
Der Fall:
Der in Belgien lebende Niederländer J. Knoors war während seines langandauernden Aufenthalts in Belgien zunächst als Arbeitnehmer in einem Klempnerei- und Installationsbetrieb beschäftigt. Seit 1970 übte er den Beruf des Klempners und des Installateurs als selbständiger Unternehmer aus. Auf seinen bei den niederländischen Behörden eingereichten Antrag, ihm die Ausübung der genannten Berufstätigkeiten in seinem Herkunftsland zu erlauben, wurde er aufgrund der Tatsache, dass er nicht die nach niederländischem Recht vorgeschriebenen beruflichen Qualifikationen besaß, abschlägig beschieden. Bei dieser Gelegenheit teilten die niederländischen Behörden Herrn Knoors mit, er könne sich nicht auf das Gesetz über die Niederlassung von Gewerbebetrieben von 1954 berufen, wonach die Erlaubnis zur Ausübung bestimmter Berufe erteilt werden kann, wenn die Bestimmungen der Richtlinie über die Niederlassung zur Erteilung einer solchen Erlaubnis Anlass geben. In zwei aufeinanderfolgenden Bescheiden des niederländischen Staatssekretärs für Wirtschaft wurde in diesem Zusammenhang näher erläutert, dass der Antragsteller als niederländischer Staatsbürger nicht als Begünstigter im Sinne der einschlägigen Richtlinie anzusehen sei, der zufolge dann, wenn in einem Mitgliedstaat die Aufnahme bestimmter Wirtschaftstätigkeiten von gewissen beruflichen Qualifikationen abhängig ist, dieser Mitgliedstaat als ausreichenden Nachweis für die genannten Qualifikationen die tatsächliche Ausübung der betreffenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat anerkennt. Herr Knoors ist dagegen der Ansicht, die niederländischen Behörden hätten ihm aufgrund der Richtlinie die beantragte Erlaubnis erteilen müssen.
Laut Europäischem Gerichtshof müssen die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten dann, wenn sie sich objektiv in einer der von der Richtlinie vorgesehenen Situation befinden, die Möglichkeit haben, in den Genuss der darin genannten Liberalisierungsmaßnahmen zu gelangen, ohne dass aufgrund ihres Aufenthaltsortes oder ihrer Staatsangehörigkeit ein Unterschied in der Behandlung gemacht werden dürfte. Demnach könnten sich die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten, die die in der Richtlinie aufgestellten Anwendungsvoraussetzungen erfüllten, auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen, und zwar auch gegenüber dem Staat, dessen Angehörige sie sind.
Das Urteil:
Die Richtlinie 64/427 des Rates vom 7. Juli 1964 über die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23-40 (Industrie und Handwerk) ist so zu verstehen, dass "Begünstigte" im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie auch die Personen sind, die die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes besitzen.
Orginaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-115/78: Knoors