Wohnsitzerfordernis und Staatsangehörigkeitsvorbehalt für Zahnärzte unzulässig
Nationale Bestimmungen müssen die durch Gemeinschaftsangehörigkeit garantierten Rechte klar zum Ausdruck bringen
(C-162/99 vom 18.01.2001, Kommission/Italien)
Der Fall:
Nach einer italienischen Regelung von 1946 über die Gesundheitsberufe setzte die Eintragung in das Berufsregister den Wohnsitz im Bezirk der Kammer oder des Kollegiums voraus. Diese Bestimmung wurde durch die Vorschriften zur Neuordnung des Pharmaziesektors von 1991 dahingehend geändert, dass für eine Eintragung in das Register nunmehr die Berufausübung im Bezirk der Kammer oder des Kollegiums ausreichte. In der Annahme, dass diese Änderung nur Apotheker betreffen würde, hatten mehrere italienische Ärzte- und Zahnärztekammern weiter an der Wohnsitzverpflichtung festgehalten.
Nach einer weiteren italienischen Regelung von 1946 war im Fall der Verlegung des Wohnsitzes des Eingetragenen in das Ausland seine Streichung im Berufsregister vorgesehen. Gemäß einer Änderung und Ergänzung von 1964 zum Gesetz zur Eintragung von italienischen Angehörigen der Gesundheitsberufe mit Wohnsitz im Ausland, konnten Angehörige eines Gesundheitsberufs, die im Ausland freiberuflich oder unselbständig tätig waren, auf Antrag die Eintragung in dem Kammer- oder Kollegiumsregister, in dem sie gestrichen wurden, beibehalten. Schließlich wurde durch ein Gesetz von 1985 bestimmt, dass Zahnärzte italienischer Staatsangehörigkeit im Falle der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat im Register der Kammer eingetragen bleiben könnten.
Laut Europäischem Gerichtshof verstößt das oben genannte Wohnorterfordernis und der angesprochene Staatsangehörigkeitsvorbehalt gegen die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit der Erwerbstätigen.
Die Mitgliedstaaten müssen, um die volle Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, nicht nur ihr Recht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang bringen, sondern darüber hinaus eine so bestimmte, klare und transparente Lage schaffen, dass der Einzelne seine Rechte in vollem Umfang erkennen und sich vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann.
Das Urteil:
Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 48 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und 43 EG) verstoßen,
- dass sie es zulässt, dass das Decreto legislativo Nr. 233 des vorläufigen Staatschefs vom 13. September 1946, obwohl es durch Artikel 9 des Gesetzes Nr. 362 vom 8. November 1991 geändert wurde, weiterhin so angewandt wird, dass Zahnärzte, die ihren Beruf in Italien ausüben, faktisch weiter einer Wohnsitzverpflichtung unterliegen,
- dass sie Artikel 15 des Gesetzes Nr. 409 vom 24. Juli 1985 in Geltung belassen hat, der auf Artikel 1 des Gesetzes Nr. 1398 vom 14. Dezember 1964 verweist, aus dem sich ergibt, dass nur Zahnärzte italienischer Staatsangehörigkeit im Fall der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat im Register der Kammer eingetragen bleiben können.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-162/99: Kommission/Italien