Ausbildungsförderung für Kinder von Wanderarbeitnehmern
Muss zu den gleichen Bedingungen gewährt werden wie bei Inländern
(C- 9/74, vom 03.07.1975, Casagrande)
Der Fall:
Donato Casagrande, ein italienischer Staatsangehöriger und Kind eines italienischen Arbeitnehmers, der in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt war, hat im Schuljahr 1971/72 eine Realschule in München besucht. Als er von der Stadt München Ausbildungsförderung nach dem bayerischen Ausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 70 DM pro Monat verlangte, wurde diese abgelehnt, weil sich das genannte Gesetz nur auf Deutsche sowie auf Heimatlose und asylberechtigte Ausländer beziehe.
Der Europäische Gerichtshof wies darauf hin, dass, damit das Recht auf Freizügigkeit nach objektiven Maßstäben in Freiheit und Menschenwürde wahrgenommen werden könne, alle Hindernisse beseitigt werden müssten, die sich der Mobilität der Arbeitnehmer entgegenstellten, insbesondere in Bezug auf das Recht des Arbeitnehmers, seine Familie nachkommen zu lassen, und die Bedingungen für die Integration seiner Familie im Aufnahmeland. Diese Integration setze voraus, dass dem Kind eines ausländischen Arbeitnehmers, das eine höhere Schule besuchen wolle, die Vergünstigungen, welche die Rechtsvorschriften des Aufnahmelandes für die Ausbildungsförderung vorsehen, zu den gleichen Bedingungen offen stehen müssten wie Inländern in gleicher Lage.
Das Urteil:
Mit der Bestimmung, dass die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, „unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen" des Aufnahmelandes am Unterricht teilnehmen können, zielt Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht nur auf die Zulassungsbedingungen, sondern auch auf die allgemeinen Maßnahmen ab, welche die Teilnahme am Unterricht erleichtern sollen.