Fahrpreisermäßigung für kinderreiche Familien
Kann als soziale Vergünstigung auch von Hinterbliebenen des Arbeitnehmers geltend gemacht werden
(C - 32/75 vom 30.11.1975, Christini)
Der Fall:
Die in Frankreich lebende, italienische Staatsangehörige Anita Christini, Witwe eines ebenfalls italienischen Staatsangehörigen, der in Frankreich gearbeitet hatte, beantragte 1971 bei den französischen Staatsbahnen für ihre vier Kinder und sich selbst eine Ermäßigungskarte für kinderreiche Familien. Diese wurde ihr nicht gewährt, weil nach den französischen Rechtsvorschriften eine solche Fahrpreisermäßigung grundsätzlich ausschließlich französischen Staatsangehörigen vorbehalten ist.
Nach dem Gemeinschaftsrecht hat ein ausländischer Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, Anspruch auf die gleichen sozialen Vergünstigungen wie ein inländischer Arbeitnehmer. Laut Europäischem Gerichtshof umfasst der Begriff der sozialen Vergünstigungen alle Sozialleistungen, unabhängig davon, ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpfen oder nicht, so auch Fahrpreisermäßigungen für kinderreiche Familien. Eine solche Vergünstigung kann nicht nur von dem Arbeitnehmer selbst, sondern auch von seiner Witwe geltend gemacht werden, da es Geist und Zweck der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zuwiderlaufen würde, wollte man den Hinterbliebenen eine solche Vergünstigung nach dem Todes des Arbeitnehmers entziehen, obgleich sie den Hinterbliebenen eines Inländers gewährt wird.
Das Urteil:
Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist in dem Sinne auszulegen, dass die dort bezeichneten sozialen Vergünstigungen auch die von innerstaatlichen Eisenbahnen an kinderreiche Familien ausgegebenen Fahrpreisermäßigungskarten umfassen, und zwar selbst dann, wenn diese Vergünstigung erst nach dem Tode des Arbeitnehmers zugunsten seiner im selben Mitgliedstaat verbliebenen Familie in Anspruch genommen wird.