Vorschüsse auf den Unterhalt von Kindern
Staatsangehörigkeitserfordernis für das im gewährenden Staat wohnende Kind ist unzulässig
(C-85/99 vom 15.03.2001, Offermanns)
Der Fall:
Die minderjährigen Vincent und Esther Offermanns sowie ihre Eltern sind deutsche Staatsangehörige und wohnen seit 1987 in Österreich. Beide Eltern sind dort als Selbständige erwerbstätig. Die Ehe der Eltern wurde 1995 geschieden und der Mutter das alleinige Sorgerecht für die Kinder übertragen. Der Vater verpflichtete sich im Januar 1996 in einem gerichtlichen Vergleich, für jedes der Kinder einen monatlichen Unterhaltsbetrag zu zahlen; seit Februar 1998 leistete er jedoch keine Zahlungen mehr. Im September beantragten die Kinder die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach österreichischem Recht und machten hierzu geltend, dass sie die zwangsweise Durchsetzung des vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs gegen ihren Vater versucht hätten, die Vollstreckung jedoch fruchtlos geblieben sei, weil der Vater keine Gehaltsforderung habe. Der Antrag wurde unter Berufung auf das österreichische Unterhaltsvorschussgesetz wegen der deutschen Staatsangehörigkeit der Kinder abgewiesen.
Laut Europäischem Gerichtshof darf eine Familienleistung wie der Unterhaltsvorschuss den in einem Mitgliedstaat lebenden Unionsbürgern nicht allein deswegen versagt werden, weil sie nicht die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzen. Sie haben unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung.
Das Urteil:
Eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen Bundesgesetz über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschussgesetz) ist eine Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung. Daher haben die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnenden Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß deren Artikel 3 unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-85/99: Offermanns