Ausweisung nach strafrechtlicher Verurteilung
Unzulässig, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird
(C-67/74 vom 26.02.1975, Bonsignore)
Der Fall:
Der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte, italienische Staatsangehörige Carmelo Angelo Bonsignore, der unerlaubterweise in den Besitz einer Feuerwaffe gelangt war, hatte diese unvorsichtig gehandhabt und dadurch unvorsätzlich den Tod seines Bruders verursacht. Deshalb verurteilte ihn das zuständige Schöffengericht wegen Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe. Es erkannte ihn auch der fahrlässigen Tötung für schuldig, jedoch wurde insoweit keine Strafe gegen ihn verhängt, da eine Bestrafung den Umständen nach sinnlos erschien, weil Herr Bonsignore unter den Folgen seiner Fahrlässigkeit schwer litt. Nach der strafrechtlichen Verurteilung verfügte die zuständige Ausländerbehörde die Ausweisung des Herrn Bonsignore, welche mit generalpräventiven Argumenten begründet wurde. Es sollte eine Abschreckungswirkung in Einwandererkreisen im Hinblick auf die zunehmenden Gewalttätigkeiten in Ballungsgebieten erzielt werden.
Der Europäische Gerichtshof ließ dieses Argument nicht gelten. Bei Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten dürften vom Einzelfall losgelöste Erwägungen nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Eine Ausweisungsmaßnahme dürfe nur auf Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abstellen, die von der betroffenen Einzelperson ausgehen könnten.
Das Urteil:
Artikel 3 Absatz 1 und 2 der Richtlinie Nr. 64/221 des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind1, steht der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats entgegen, wenn diese zum Zweck der Abschreckung anderer Ausländer verfügt wird.
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1 Siehe jetzt Artikel 27 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG. (Mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2004/38/EG am 30. April 2006 ist die Richtlinie Nr. 64/221/EWG gegenstandslos geworden.)
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-67/74: Bonsignore