Tätigkeiten für Bhagwan-Vereinigung können wirtschaftliche Betätigung darstellen
Voraussetzung ist eine zumindest mittelbare Vergütung für eine tatsächliche und echte Tätigkeit
(C-196/87 vom 05.10.1988, Steymann)
Der Fall:
Der deutsche Staatsangehörige Udo Steymann begab sich 1983 in die Niederlande und wurde dort Mitglied der Bhagwan-Vereinigung, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit durch gewerbliche Betätigungen wie den Betrieb einer Diskothek, eines Getränkehandels und eines Waschsalons sicherstellt. Im Rahmen seiner Teilnahme am Leben der Bhagwan-Vereinigung führte Herr Steymann bestimmte Klempnerarbeiten am Gebäude dieser Vereinigung sowie Hausarbeiten allgemeiner Art durch. Er beteiligte sich im übrigen an den gewerblichen Betätigungen der Vereinigung. Unabhängig von Art und Umfang seiner Tätigkeit sorgte die Vereinigung in jedem Fall für seinen Lebensunterhalt. 1984 beantragte Herr Steymann eine Aufenthaltserlaubnis in den Niederlanden zur Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit. Sein Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass er angesichts der religiösen Ziele der Bhagwan-Gemeinschaft keiner wirtschaftlichen Betätigung nachgehe und deshalb nicht als begünstigter EG-Angehöriger im Sinne des niederländischen Ausländerrechts anzusehen sei. Gegen diese Entscheidung erhob Herr Steymann Klage und machte geltend, dass er als Mitglied der Bhagwan-Vereinigung im Verhältnis zu dieser Dienstleistungsempfänger und -erbringer sei.
Laut Europäischem Gerichtshof kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass die von den Mitgliedern der Bhagwan-Vereinigung verrichteten Arbeiten einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des Gemeinschaftsrechts ausmachen. Soweit nämlich diese Arbeiten, mit denen der Vereinigung die wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert werden soll, ein wesentliches Element der Teilnahme an dieser Vereinigung darstellen, können die Leistungen, die diese Vereinigung ihren Mitgliedern gewährt, als mittelbare Gegenleistung für deren Arbeiten angesehen werden. Auf die Dienstleistungsfreiheit könne sich Herr Steymann jedoch nicht berufen. Im Gegensatz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit werden nämlich Tätigkeiten für unbestimmte Dauer nicht von der Dienstleistungsfreiheit umfasst.
Das Urteil:
1)Artikel 2 EWG-Vertrag1 ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeiten der Mitglieder einer auf Religion oder einer anderen Form der Weltanschauung beruhenden Vereinigung im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit dieser Vereinigung insoweit einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen, als die Leistungen, die die Vereinigung ihren Mitgliedern gewährt, als mittelbare Gegenleistung für tatsächliche und echte Tätigkeiten betrachtet werden können .
2 ) Die Artikel 592 und 603 EWG-Vertrag gelten nicht für den Angehörigen eines Mitgliedstaats, der sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und dort seinen Hauptaufenthalt nimmt, um dort für unbestimmte Dauer Dienstleistungen zu erbringen oder zu empfangen .
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1 Jetzt Artikel 2 EG.
2 Jetzt Artikel 49 EG.
3 Jetzt Artikel 50 EG.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-196/87: Steymann