Kostenübernahme von Arztkosten im EU-Ausland

Untersuchungen außerhalb des Krankenhauses müssen nicht vorher genehmigt werden

Seit fünf Jahren lebe ich als Deutsche in Großbritannien und arbeite als Floristin. Weil ich kein Vertrauen in das britische Gesundheitssystem und den National Health Service (NHS) habe, möchte ich eine wichtige Untersuchung meiner Hand mit eventueller Operation in Deutschland durchführen lassen. Wenn sich der Anfangsverdacht auf das Karpaltunnelsyndrom bestätigt, können ohne Behandlung bleibende Gefühlsstörungen an meinen Fingern auftreten. Kann ich zumindest einen Teil der Kosten von dem britischen NHS zurückfordern?

Das ist davon abhängig, ob Sie sich im Krankenhaus behandeln lassen oder von einem Arzt. Wenn Sie sich im Krankenhaus behandeln lassen wollen, müssen Sie sich die Behandlung von dem NHS genehmigen lassen. Sonst wird dieser Ihnen die Kosten nicht erstatten. Bei einer geplanten Behandlung bei einem Arzt in Deutschland außerhalb eines Krankenhauses verstößt die Pflicht einer vorherigen Genehmigung gegen EU-Recht.

Der Europäische Gerichtshof hat 2006 entschieden, dass Ihnen eine Krankenhausbehandlung im europäischen Ausland genehmigt werden muss, wenn die OP in Großbritannien nicht rechtzeitig durchgeführt werden kann (Az C-372/04). Sie müssen sich dafür aber einer medizinischen Untersuchung in Großbritannien unterziehen. Diese berücksichtigt Ihren Gesundheitszustand, Ihre Vorgeschichte, die Entwicklung Ihrer Krankheit, das Ausmaß Ihrer Schmerzen und die Art Ihrer Behandlung. Wenn der NHS Ihnen nach dieser Beurteilung die in Großbritannien übliche Wartezeit von einem Jahr zumutet, werden die Kosten für Ihre Behandlung in Deutschland nicht übernommen.

Wenn der NHS sich entscheidet die Kosten zu übernehmen, stellt Ihnen der NHS das Formular E112 aus. Es dient als Nachweis, dass er die entstandenen Kosten übernimmt. Sie werden in Deutschland nach den in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften operiert. Deutsche Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen bei einer stationären Behandlung 10 Euro pro Tag bezahlen, maximal jedoch für 28 Tage im Kalenderjahr. In Großbritannien wäre Ihre Operation für Sie zuzahlungsfrei gewesen. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es für Sie keinen Unterschied machen darf, ob Sie sich in Großbritannien oder Deutschland behandeln lassen, wenn Ihnen die ausländische OP genehmigt wurde. Deshalb sollten Sie darauf drängen, dass der NHS Ihre deutschen Zuzahlungskosten neben den Behandlungskosten ebenfalls bezahlt.

Der National Health Care braucht Ihnen aber nur die Kosten in der Höhe erstatten, die Ihre Behandlung in Großbritannien gekostet hätte. Ihre Reise- und gegebenenfalls Unterbringungskosten werden nicht unbedingt übernommen.

Wenn Sie sich bei einem Arzt und nicht im Krankenhaus behandeln lassen wollen, ist die Rechtslage eine andere. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes verstößt die Pflicht einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige Krankenkasse für eine Versorgung außerhalb des Krankenhauses im EU-Ausland gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs (Az C-385/99). Das bedeutet der NHS ist verpflichtet ohne vorherige Genehmigung die Behandlungskosten bei einem europäischen Arzt zu übernehmen. Allerdings werden Ihnen die Kosten nur in der Höhe erstattet, die bei einer Behandlung in Großbritannien entstanden wären.

Weitere Informationen


National Health Service

Rechtstexte

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern

Urteil in der Rechtssache C-372/04

Urteil in der Rechtssache C-385/99