Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld
Es gilt das Verbot der doppelten Beitragsbelastung
(C-34/98 vom 15.02.2000, Kommission/Frankreich)
Der Fall:
1998 erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen die Französische Republik, weil sie den Beitrag zur Begleichung der Sozialschuld (contribution pour le remboursement de la deute sociale; im folgenden: CRDS) auch auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte der Arbeitnehmer und Selbständigen angewandt hat, die zwar in Frankreich wohnen, aber in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten.
Nach den einschlägigen französischen Regelungen müssen Personen, deren Haushalt oder Hauptaufenthaltsort sich in Frankreich befindet, und die somit ihren steuerlichen Wohnsitz in Frankreich haben, den CRDS, der durch Steuerbescheid erhoben wird, insbesondere auf ihre Erwerbs- und Ersatzeinkünfte entrichten. Vorbehaltlich internationaler Doppelbesteuerungsabkommen unterlagen auch ausländische Erwerbs- und Ersatzeinkünfte, auf die in Frankreich Einkommensteuer erhoben wurde, dem CRDS.
Nach Auffassung der Kommission wurde durch die Anwendung des CRDS auf Einkünfte, die bereits im Beschäftigungsmitgliedstaat, dem nach Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408//1 auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit allein zuständigen Staat, mit sämtlichen Sozialabgaben belastet worden seien, gegen das Verbot der doppelten Beitragsbelastung verstoßen.
Die französischen Behörden vertraten demgegenüber die Ansicht, dass der CRDS als Steuer zu qualifizieren sei und damit nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 falle.
Laut Europäischem Gerichtshof bedeutet die Tatsache, dass eine Abgabe nach nationalem Recht als Steuer qualifiziert wird, nicht, dass sie nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 fallen kann und damit nicht vom Verbot der doppelten Beitragsbelastung erfasst wird. Das entscheidende Kriterium für die Anwendung des Artikels 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 besteht nämlich darin, ob eine Abgabe speziell für die Finanzierung des Systems der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats verwendet wird. Bezüglich des CRDS verwies der Gerichtshof darauf, dass dieser, anders als die Abgaben, mit denen die allgemeinen Ausgaben der öffentlichen Hand finanziert werden sollen, speziell und unmittelbar dazu dient, die Defizite des französischen allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit auszugleichen, und Teil einer allgemeinen Reform des sozialen Schutzes in Frankreich ist, die darauf abzielt, das künftige finanzielle Gleichgewicht dieses Systems zu gewährleisten. Damit besteht zwischen dem CRDS und dem französischen allgemeinen System der sozialen Sicherheit ein unmittelbarer und hinreichend relevanter Zusammenhang, so dass dieser Beitrag als Abgabe betrachtet werden kann, die vom Verbot der doppelten Beitragsleistung erfasst wird. Daran kann auch die Tatsache, dass der CRDS wie die Einkommensteuer durch Steuerbescheid erhoben wird, nichts ändern.
Das Urteil:
Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung und aus den Artikeln 48 und 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und 43 EG) verstoßen, dass sie den Beitrag zur Begleichung
der Sozialschuld auf die Erwerbs- und Ersatzeinkünfte der Arbeitnehmer und Selbständigen angewandt hat, die in Frankreich wohnen, aber in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten und nach der Verordnung Nr. 1408/71 nicht den französischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit unterliegen.
Originaltext des Urteils:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-34/98: Kommission/Frankreich